Wie immer sitze ich früh auf dem Fahrrad und verlasse die Stadt Neiva, Richtung Tatacoa Wüste. Etwas mehr als 40 Kilometer geht es entspannt über ruhige Straßen, Richtung Villavieja und dann beginnt die Wüste und das Staunen. Immer mehr baut sich um mich herum eine absurde Marslandschaft auf. Ich fahre entlang orange-roter Felsformationen, Kakteen und Baumwollpflanzen zu einem Hostel, das ich mir ausgesucht habe, weil es einen Pool hat. Bei 40° keine schlechte Vorstellung, in einen kalten Pool zu springen.
Nach zwei Stunden komme ich am Hostel an, baue mein Zelt auf und ziehe los, um die unfassbar fotogene Wüste zu bewandern.
Nach der Wanderung kühle ich mich im Pool ab und quatsche ein bisschen mit anderen Reisenden. Abends gehe ich zu einem der vielen Sternobservatorien. Die Nächte in der Tatacoa Wüste sind nämlich für ihren unfassbar tollen Sternenhimmel bekannt.
Durch verschiedene Teleskope schaue ich mir den Mond, Saturn und mehrere Sterne an. Danach liege ich mit Kolumbianern und Touristen auf dem Boden der Wüste, schaue in den Himmel und lausche einem Vortrag über Sterne und das Weltall.
Am nächsten Tag verlasse ich die Wüste wieder. In zwei Tagesetappen, in denen ich zwar keinen Hunger verspüre, dafür aber Durst so richtig kennenlerne, fahre ich Richtung Pitalito. Es ist unfassbar heiß und meine Gedanken kreisen nur noch um eine Sache: Wasser mit Kohlensäure.
Die erste Nacht verbringe ich an einer Tankstelle, zu der ein Restaurant und ein Hotel gehören. Ich suche mir ein ruhiges Plätzchen auf der großen Rasenfläche und baue mein Zuhause auf. Der Vorteil an den Tankstellen ist, dass man dort auch umsonst duschen kann und rund um die Uhr auf Toilette gehen kann, also auch dann, wenn der Körper endlich die Ruhe hat, die Flüssigkeit nicht nur über den Schweiß abzusondern...
Am nächsten Tag sitze ich bereits um sechs Uhr auf dem Fahrrad und starte in eine anstrengende Tagesetappe. Gegenwind, Platzregen und niemals endende Berg-, und Talfahrten. Als ich mich gerade einen der vielen Berge hoch quäle, staut sich vor mir der Verkehr. Ich fahre an den vielen LKWs, Bussen und Autos vorbei und erkenne den Grund für den Stau. Mal wieder ist es eine Baustelle, bei der immer nur eine Fahrbahn durchgelassen wird. Als das Schild vom roten "Pare" aufs grüne "Siga" gedreht wird, bangt es mir schon davor gleich von den vielen Fahrzeugen überholt zu werden. Plötzlich hält ein Polizist neben mir und ruft "Hey, das ist total gefährlich! Dir kommt gleich der Gegenverkehr entgegen auf einer super engen, schlechten Straße! Ich fahr dich zum Ende der Baustelle!"
Er fährt an den Straßenrand und wir packen mein Fahrrad auf die Ladefläche des Pickup Trucks. Ganze 10 Kilometer fährt mich Juan-Federic, der wohl schönste Polizist der Welt, bis nach Timan. Von dort aus sind es nur noch 25 KM bis Pitalito.
Aber nach 10 Kilometern merke ich, dass meine Kräfte mich verlassen. Wie durch einen Zufall halte ich direkt neben einer Art Kirche an. "Gott, Jesus, Barmherzigkeit und Nächstenliebe... Hier kann ich bestimmt im Garten zelten..."
Ein aufgedrehter, verspielter und unfassbar süßer Golden Retriever Welpe begrüßt mich. Mit wedelndem Schwanz wirft er mir eine leere Waschmittelflasche vor die Füße. Als ich diese gerade in den Garten werfen will, kommt ein älteres Pärchen auf mich zu, die mich, nachdem ich sie nach einem Zeltort frage, nach nebenan auf den Bolzplatz schicken.
Dort baue ich am Spielfeldrand unter genauer Beobachtung des sechsjährigen Gilberts und der vierjährigen Maria mein Zelt auf. Die Beiden ziehen ihre Kreise immer enger, bis sie mir all ihre Fragen stellen. "Wo kommst du her?", "Wo ist Deutschland?", "Wieso schläfst du hier auf dem Fußballplatz?", "Wie kommst du in dein Zelt rein?"
"Ich wohne da drüben!", sagt Gilbert und zeigt auf das Haus, das direkt gegenüber des Platzes liegt. "Und ich wohne in einem gelben Haus mit einer braunen Tür!", sagt die kleine Maria und kichert dabei.
Wann verlernen wir Menschen eigentlich den Blick, mit dem Kinder auf Fremde schauen? Egal wo ich auf Reisen war, es waren immer die Kinder, die ohne Scheu, ohne Vorurteile und ohne Absichten auf mich zu gekommen sind. Wie heißt es so schön?! "Auch der Weiseste kann unermesslich viel von Kindern lernen."
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