„Wieso tust du dir das an?“ - eine Frage, die mir oft gestellt wird und die ich mir manchmal auch selber stelle. Allerdings kann ich sie im selben Moment auch beantworten. Eine Antwort, die gewiss nicht für jede oder jeden verständlich sein wird… Dennoch hier der Versuch einer Erklärung:
Wenn ich jetzt zurückschaue, blicke ich auf viele tricky Situationen, mit einer Durchhalte-, oder Lösungsquote von 100%. Ich habe sowohl die ups, als auch die downs, die zu jeder Reise dazu gehören, durchlebt und vor allem zugelassen. Im „normalen“ Alltag, mit Wohnung, Arbeit und Freizeit - so scheint mir - umschiffen wir oft mögliche downs. Es ist, als würden wir nach Schlupflöchern, Abkürzungen oder gar Betäubung suchen, um ja nicht in unangenehme Situationen zu kommen. Wir wollen immer wissen, was um die Ecke auf uns wartet und wenn uns das nicht gefällt, gehen wir halt um die andere Ecke. Auf Reisen weiß ich so gut wie nie, was auf mich wartet - werde ich einen sicheren Schlafplatz finden? Wird die Straße einen Seitenstreifen haben? Wird es heute Probleme oder Herausforderungen geben und wenn ja, welche? Ich kann mich informieren, mich vorbereiten und auf mich aufpassen. Aber das geht halt nur bis zu einem gewissen Grad. Und auf eine seltsame Art und Weise ist es genau das, was mich so viel mehr lebendig fühlen lässt, wenn ich unterwegs bin. Der Mix aus keine Ahnung haben und dennoch alles so hinzunehmen und die Karten zu spielen, die mir vom Super-Shuffle-Modus des Lebens hingeworfen werden.
In der letzten Woche wurde ich einige Male fast überfahren und habe mich auf der Strecke extrem unwohl gefühlt. Eine Situation, in der ich normalerweise ganz klar sagen würde: Sicherheit geht vor, denn tot radelt es sich schlecht weiter. Aber es gab keinen Bus, der mich und mein Fahrrad mitgenommen hätte und trampen ist für mich aktuell keine Option. Die einzige Option, die ich also hatte, war: Durchhalten. Und das alleine. Niemand, mit dem ich mich über die Strecke aufregen konnte, niemand, der mich in den Arm genommen hat, niemand, der mir gut zugeredet hat, niemand, mit dem ich die nächsten Schritte hätte besprechen können. Ausser mir selbst. And i did it! Und zwar wie Frank Sinatra einst sang - my way! Wer mich kennt, weiß, dass ich eine sehr emotionale Person bin - Gefühlisa eben. Wenn da ein Gefühl ist, dann will und muss das raus, schließlich sind Gefühle ja da, um gefühlt zu werden. Und mit 800 KM in den Beinen und Nerven aus Zahnseide, sprudeln die halt einfach aus mir heraus (und landen oft ungefiltert in meinen Insta-Stories). Auf dem Fahrrad gibt es außerdem sowieso kein Entkommen vor Gefühlen und den dazugehörigen Gedanken.
Ich habe niemals so viel über mich selbst gelernt, bin noch nie so sehr über mich hinausgewachsen, habe noch nie so ungeschönt den Spiegel vorgehalten bekommen und auch reingeschaut, wie auf dieser Reise. Und ich habe noch nie in so vielen aussichtslosen Situationen gesteckt, auf die ich Stunden, Tage, Wochen oder sogar wenige Minuten später mit einem zufriedenen Lächeln geblickt habe und mir gedacht habe „Guck, ist doch alles gut gegangen!“ Wer noch nie (alleine) auf Reisen war, noch nie auf Hilfe Fremder angewiesen war oder diese, ohne zu fragen, bekommen hat, oder in schwierigen Situationen gesteckt hat, wird es schwer verstehen können, wie viel Positivität, Kraft und Willen genau solche Situationen einem geben können. Mein Herz ist so voll von solchen Momenten, die mir in aussichtslosen Situationen genau die Kraft geben, die ich brauche, um durchzuhalten.
Das Leben ist eben nicht immer eine glatt asphaltierte Straße, mit freundlichen Weggefährten und wunderschönen Aussichtspunkten. Zum Leben gehören auch fiese Schlaglöcher, gefährliche Raser und unspektakuläre Einöde.
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