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AutorenbildLisa

The first ride is the deepest (DE)

Ich kann es leider nicht anders ausdrücken, als mit den Worten: holy shit! In den letzten zwei Tagen ist so viel passiert. Nervenaufreibend, aber genau das, was das Reisen ausmacht. Man weiß nie, was als nächstes passiert und am Ende findet man irgendwie immer einen Weg.


Medellin war ein guter Mix aus lateinamerikanischem Wirrwarr und Ruhe in der Hängematte. Der schönste Moment war, als ich meinen Koffer, den ich ja nicht mehr brauchte, an einen Mitarbeiter des Hostels verschenkte. Er hat sich so sehr gefreut, mein Herz wäre vor Freude fast geplatzt.


Nach vier Nächten des akklimatisierens brach ich auf. Und die Hügel Medellins zwangen mich direkt in die Knie. Komoot, die App mit der ich die Routen plane, schickte mich über Seitenstraßen des Todes, auf Hauptstraßen des Todes. Ich musste oft absteigen und 17 Kilo Fahrrad plus 35 Kilo Gepäck die Hügel hoch schieben.


Mir wurde schwindelig und schwarz vor Augen. Verzweiflung machte sich breit. „Schaffe ich das überhaupt?“ Doch dann war ich endlich auf der Straße, die auf weniger als 10 km, 1.000 Höhenmeter gewinnt. Es war super anstrengend, aber es lief wunderbar und die vielen Rennradfahrer, die keuchend an mir vorbei fuhren und sichtlich am kämpfen waren, gaben mir ein gutes Gefühl, schließlich hatte ich ja noch Gepäck am Fahrrad. Sie sprachen mir gut zu, feuerten mich an, selbst Autofahrer hupten und streckten ihre Daumen aus dem Fenster.

Als ich auf 2.600 Metern Höhe ankam, ging auf der anderen Straßenseite ein Jubelchor los.


An einem Aussichtspunkt sprach mich ein junger Mann an, fragte wo ich herkomme, ob ich alleine reise und wo ich hin fahre. Und dann sagte er Worte, die sich wie eine warme Decke um mein Herz legten: „Reiseerinnerungen sind die wertvollsten Erinnerungen, die es gibt. Im Sterbebett werden wir uns an genau diese Momente erinnern!“ Aufs tiefste berührt fuhr ich weiter.

Es folgten immer mehr Steigungen, eine Abfahrt auf sehr losem Boden mit versteckten Riesensteinen, noch mehr Steigungen, Probleme mit der Gangschaltung und noch mehr Steigungen.

30 km vor Guatapé hielt ich in einer Kurve an. Jedes Mal wenn ich in am Berg in den ersten Gang schalten wollte, blockierte die Kette und ich musste absteigen, die Pedale rückwärts drehen, um dann wieder weiterfahren zu können. Ausserdem merkte ich, dass meine Energie nachließ. Die Versuche einen Truck anzuhalten waren vergebens. Irgendwann schoss ein junger Mann auf einem Fahrrad durch die Kurve. Fünf Minuten später kam der Mann namens Carlos zurück und fragte, ob alles okay sei. Ich erklärte das Problem, er schaute nach, konnte aber nichts finden.


„Hast du Flickzeug“, fragte er und zeigte auf sein Hinterrad, das extrem platt war. Ich half ihm den Reifen zu flicken. Im Gegenzug fuhr er mit mir die letzten 30 KM nach Guatapé, für die wir weitere 3 Stunden brauchten. Mittlerweile war es auch dunkel und ich war sehr froh Carlos an meiner Seite, beziehungsweise vor mir zu haben. Da die Rezeption des Campingplatz-Hostels schon zu hatte, beschlossen Carlos und ich erstmal was zu essen und dann ein anderes Hostel für mich zu suchen. Ein guter Plan, denn mein Köper signalisierte mir sehr deutlich, dass das Frühstücksmüsli und das Sandwich von mittags schon lange verbrannt waren.


Nachdem ich die 700 Stufen des Fels von Guatapé bestiegen hatte, ging ich am nächsten Tag zu einer Fahrradwerkstatt. Ich musste mein Fahrrad durch einen Souvenirladen schieben, um dann über eine Rampe in eine Art Kellerraum zu kommen, wo überall Fahrräder und Fahrradteile rum lagen.



Ich erklärte das Problem und der junge Mann ging der Sache auf den Grund. Die Ursache war schnell gefunden. Ein Zacken des kleinen, vordern Kettenblatts war komplett verbogen. Ich staunte nicht schlecht, als er es mir zeigte, schließlich war ich am Vortag damit 80 KM gefahren. Wahrscheinlich hat sich während des Flugs das abmontiere Vorderrad im Karton auf dem Kettenblatt ausgeruht.


Mir wurde schlagartig kotzübel, während der Mann anfing den Zacken grade zu klöppeln und sein Kollege neben mir an einem Mofa rumflexte. Ganze zwei Stunden war ich in der Werkstatt und beobachtete, wie der junge Mann hämmerte, klopfte, feilte und schwitzte. Immer wieder verschwand er für Testfahrten, von denen er kopfschüttelnd wieder kam. Doch irgendwann kam er grinsend wieder und meinte „Okay, jetzt komme ich mit dir nach Deutschland, weil ich dein Fahrrad repariert habe!“

Ein riesiger Stein fiel mir vom Herzen und da der Mann nur einen Euro(!) von mir wollte, brachte ich ihm als Dankeschön eine Tüte nimm2 Soft und Mambas vorbei.

Der Start der Reise mag vielleicht holprig gewesen sein, dennoch habe ich wunderbare Menschen getroffen, die ich niemals vergessen werde.

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1 Comment


susanne
Aug 23, 2019

Ich hoffe einfach, dass es weiterhin solche wunderbaren Begegnungen mit Menschen geben wird, die dir helfen. Natürlich hoffe ich vor allem, dass du dir genug Zeit lässt. Und nicht vergisst zu essen 😄. Fette Umarmung <3

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