Von Nasca aus starte ich in die Berge, Richtung Cusco. Nach den ersten Kilometern ist klar, dass das keine leichte Etappe wird. Die ersten 100 km geht es nonstop bergauf, durch absolutes Niemandsland. In zwei Tagen arbeite ich mich von 560 Metern Höhe auf über 4.100 Meter. Nach 140 km die ersten Zeichen von Zivilisation, ein kleines Dörfchen, in dem vereinzelt Leute am Straßenrand sitzen und mich anschauen, als wäre ich von einem anderen Stern.
Nach einer anstrengenden Woche erreiche ich Cusco und durchlebe direkt einen Kulturschock. Von absoluter Einöde zu absoluter Tourihochburg. Menschen, Touristen, Supermärkte, vegane Restaurants, Souvenirshops und der Machu Picchu in greifbarer Nähe.
Doch für mich heißt es erstmal zwei Tage Ruhe, bevor es zur weltbekannten Inkastadt geht.
Früh morgens breche ich mit Ole Richtung Machu Picchu auf. Ole habe ich auf der letzten Bergetappe vor Cusco getroffen. Er ist grade mal 18 und ist seit einem Monat auf Radtour durch Südamerika. Mit dem Collectivo geht es über magenumdrehende Serpentinen nach "Hydrolectica", einem Wasserwerk in the middle of nowhere. Von dort aus startet die 12 km Wanderung entlang der Bahngleise - Machu Picchu Low Budget. In einem bunten Mix aus Leuten, die entweder mit Wanderstöcken und Hightech-Funktions-Klamotten ausgestattet sind oder so aussehen, als wären sie auf dem Weg zu einem angesagten Elektrofestival, laufen wir nach Aguas Calientes.
Aguas Calientes, auch Machu Picchu Dorf genannt, ist 100% touristisch. Überall werden einem Speisekarten ins Gesicht gewedelt, an jeder Ecke gibt es kitschige Souvenirs und alle drei Minuten plärrt jemand "Massage, Massage!".
Um 4:30 sitzen Ole und ich leicht verknittert vor unserem Hostelfrühstück. Und dann beginnt die Machu Picchu Abfertigung. 5.30 Schlange stehen, um mit dem Bus hoch zu fahren. (Wir haben uns bewusst gegen die 2.000 Stufen entschieden, wir dürfen ja auch mal faul sein!) 6:00 Schlange stehen, um auf den Einlass zu warten. 6:15 Schlange stehen, bis alle ihre Selfies gemacht haben, um das erste Mal die atemberaubende Inkastadt zu sehen. Machu Picchu kennt jeder, tausendmal habe ich ihn schon auf Fotos gesehen und jetzt stehe ich wirklich da. Unfassbar.
Wir laufen herum, versuchen etwas abseits der Massen zu sein und dennoch gibt es so gut wie kein Entkommen. "Ich brauche einen Beweis, dass ich hier war!", sagt eine junge Frau, während sie ihre (absolut nutzlosen) Wanderstöcke und ihren (absolut viel zu voll gepackten) Rucksack zur Seite legt, um verschiedene Posen einzunehmen. Do it for the gram.
Nach einigen Stunden staunen und laufen, treten Ole und ich die Rückreise an. Stündlich kommen immer mehr Touristen dazu und irgendwann ist es kaum noch auszuhalten. In Windeseile sputen wir die 2.000 Stufen runter und laufen entlang der Bahngleise zurück zum Wasserwerk. Nach weiteren 7 Stunden Busfahrt bin ich wieder in Cusco und falle erschöpft ins Bett.
Machu Picchu ist atemberaubend schön und faszinierend, aber leider zeigt das Weltwunder auch die Schattenseiten des Massentourismus.
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