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AutorenbildLisa

Ein Meer von Gedanken

Aktualisiert: 4. März 2022

Ich sitze auf meinem Fahrrad und fahre durch die atemberaubend schöne Landschaft Patagoniens, während in meinem Kopf fünfhundert Gedanken kreuz und quer rennen. Gerade habe ich mich steile, unasphaltierte Serpentinen hoch gequält und frage mich das, was mich schon viele Leute gefragt haben und immer wieder fragen: „Wieso tust du dir das an?“ Doch die Antwort ist schnell gefunden, denn die anstrengendsten Wege führen zu den unvergesslichsten Aussichten, fühlen sich unfassbar an und gehören schlichtweg dazu. Keine Reise ist ein reines Zuckerschlecken, erst recht nicht mit dem Fahrrad.

Ich denke darüber nach, wieso Reisen mir so wichtig ist und weiß wieder direkt die Antwort. Reisen erweitert nicht nur den Blick, sondern rückt ihn irgendwie grade. Man sieht, wie das Leben aussehen kann, ausserhalb der kleinen Welt, in der man sich sonst bewegt. Die Welt, die man kennt und in der man alles irgendwie auch für selbstverständlich nimmt. Zum Beispiel so „simple“ Sachen, wie eine Toilette, eine warme Dusche, sicheres Trinkwasser, Krankenversicherungen und gut sortierte Supermärkte.

Gleichzeitig merke ich beim Reisen auch immer wieder, dass die Leute, von denen viele sagen, dass sie „weniger haben“, glücklich mit dem sind, was sie haben, obwohl ihre Häuser und Autos vielleicht nicht dem entsprechen, was wir gewohnt sind, in ihren Wohnzimmern kein 50 Zoll Flachbildfernseher steht und keine Alexa das Licht dimmt. Denn sie haben sich. Irgendwie ist da ein schärferer Blick auf das, was wirklich wichtig ist: Familie, Freunde, Liebe.

Eine Welle der Emotionen überrollt mich, während ich mein Fahrrad vorsichtig durch ein Meer von Schlaglöchern manövriere. „Wir Menschen, die in einer besseren, privilegierten Situation sind, mit mehr Zugängen, müssen abgeben!“, ein Satz, den ich in einem Podcast mit Micha Fritz (Viva Con Agua) gehört habe, der im Endeffekt ausdrückt, wieso ich mich steile, unasphaltierte Serpentinen hoch quäle, wieso ich an Ruhetagen am Rechner hänge und Fakten über die Lage der südamerikanischen Kinder recherchiere, Influencer immer und immer wieder mit Bitten um Unterstützung überhäufe und jede Minute darüber nachdenke, wie wir noch mehr Spenden für die Kinder generieren können. Ich weiß, dass ich mich unfassbar glücklich schätzen kann, diese Reise machen zu können, dass ich einen Job hatte, in dem ich genug verdient habe, um für die Reise zu sparen (okay, okay, auch meine Sparfuchs-Skills waren da von Vorteil ;-) ). Und dass ich eine Familie habe, die, egal wo ich bin und was passiert, mein Sicherheitsnetz ist und immer sein wird.

Wir sind mit dem aufgewachsen was wir haben und sehen manchmal gar nicht, wie glücklich wir uns schätzen können. Und oft vergessen wir, dass wir diese Ungerechtigkeit ein Stück weit besser machen können, wenn wir etwas abgeben. Es muss nicht immer direkt eine dicke fette Spende von mehren Hundert Euro sein, auch eine Spende von fünf, zehn oder fünfzehn Euro hilft. Und was sind schon fünf oder zehn Euro? Das ist ein mal nicht zu Starbucks gehen, zwei Schachteln Kippen oder eben im Club die letzten drei Bier weg lassen. Es sind keine riesigen Opfer, die wir bringen müssen, um zu helfen. Wie heißt es so schön: Viele kleine Leute in vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.

Wer schafft zu erst die 10.000? Der Kilometerstand oder der Spendenstand?

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