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AutorenbildLisa

Erkältung und Hundeattacken in der Türkei

Nach einem emotionalen Abschied von meinen Leuten und "meiner" Katze, stehe ich auf Samos am Fährhafen. Das Meer tobt so sehr, dass mir schon schlecht ist, bevor es überhaupt auf die kleine Passagierfähre geht. Es ist die erste Fähre, die nach der Winterpause die griechische Insel wieder mit der türkischen Stadt Kusudasi verbindet und im Windschatten des Hafengebäudes, stehen viele Menschen. Eine Windböe bläst mein Fahrrad um, das so blöd fällt, dass das Seil der Befestigung meiner Lenkertasche reißt. Glücklicherweise hatte ich, nachdem dasselbe nach einem riesigen marokkanischen Schlagloch schonmal passiert war, ein Ersatzseil besorgt. Ein Mann eilt mir zur Hilfe, als er sieht, dass ich mein Fahrrad wegen des starken Winds kaum aufgerichtet bekomme.


Auf der Fähre kreisen meine Gedanken die ganze Zeit um all die vielen geflüchteten Menschen, die genau diese Überquerung auch gemacht haben, nur in die andere Richtung... und in winzigen Bötchen. Ich sitze dank meines deutschen Passes nun auf einer 35 Euro Fähre und werde in 45 Minuten durch die Passkontrolle am nächsten Ufer geradezu gleiten. Der Seegang ist so extrem, dass ich wirklich Angst bekomme und mein Herz zieht sich weiter zusammen. Hoffentlich versucht es heute keiner!


Am nächsten Morgen geht es dann los. Ich habe drei Wochen Zeit um die Türkei zumindest bis nach Kappadokien zu erkunden, bevor ich von Istanbul aus nach Usbekistan fliege. Am ersten Tag bekomme ich direkt die Gastfreundschaft der Türk*innen zu spüren. Am frühen Nachmittag erreiche ich einen Park am Meer. Laut Google Maps kann man hier umsonst zelten - ein "Kamp Alani", wie es auf türkisch heißt. Ich versichere mich kurz im Restaurant und schlage nachdem die nette Dame mir ihr "go" gegeben hat, mein Zelt auf. Abends bringt sie mir Tee und Essen vorbei. Vorm Schlafengehen checke ich nochmal schnell den Wetterbericht. Sturmwarnung - Wind mit 45-50 KM/H und Windböen bis zu 85 KM/h. Für die Tage danach ist Starkregen und Gewitter angesagt. Super... Ich buche ein AirBnb in Mugla für die nächsten zwei Nächte, bei dem Wetterbericht wird es kein Sinn machen Rad zu fahren.


Die Fahrt am nächsten Tag fängt unerwartet sonnig und toll an. Ich fahre auf kleinen Landstraßen durch winzige Kuhkäffer, blühende Wiesen und Obstwiesen und sammle dabei einige Höhenmeter. Doch nach 50 KM kommt der Freund und Feind eines jeden Radreisenden - der Wind. 10 KM lang kämpfe ich mit 10-12 KM/h auf flachem Terrain gegen meinen Feind an. Der aufgewirbelte Staub des Steinbruchs und der LKWs, die an mir vorbei brettern, machen die Sache nicht gerade angenehmer. Nach einer halben Ewigkeit endet die Straße und ich stehe vor einer vielbefahrenen vierspurigen, autobahnartigen Bundesstraße. "Links abbiegen", die Stimme meiner Navigationsapp reißt mich aus meinen "WHAT THE FUCK?"-Gedanken. Der Gegenwind ist nun also ein Seitenwind und ich soll 50 KM auf dieser Straße mit mickrigem Seitenstreifen fahren? Leider gibt es keine andere Straße, also versuche ich mein Glück. Im Sekundentakt brettern riesige LKWs an mit vorbei und nach wenigen Kilometern ist klar - das ist lebensmüde!


Ich fahre rechts ran und überlege, was ich nun tun soll. Vielleicht fährt ja ein Bus hier vorbei. Plötzlich höre ich Stimmen hinter mir. Vor einer Fabrik stehen einige Menschen. Ich lege mein Fahrrad auf den Boden und renne zu ihnen. "Sprechen Sie englisch?" - ein Mann gestikuliert mir einen Moment zu warten und kommt mit einem anderen Mann wieder. Yann kommt aus Straßburg, wohnt aber seit sieben Jahren in der Türkei und produziert Olivenöl. Er erklärt mir auf perfektem englisch, dass ich nach Milas fahren könnte, um dort in den Bus nach Mugla zu steigen. Sein Kollege ruft währendessen bei einem Busunternehmen an, um nachzufragen, ob der Bus an der Fabrik vorbei fährt und ob er ein Fahrrad mitnehmen würde. Der Anruf bringt keine Antworten und Yann warnt mich vor den nächsten Kilometern bis nach Milas. Da er mein Fahrrad sehen will, gehen wir an die Straße. Plötzlich kommt ein älterer Herr auf einem Traktor vorbei. Yann winkt ihm zu und der Herr fährt sofort rechts ran. Fünf Minuten später sitze ich auf dem Traktor und mein Fahrrad liegt hinten auf dem Anhänger. Weitere 30 Minuten später stehe ich am Busbahnhof. Ich bin zwar nicht viel gefahren, aber komischerweise fühle ich mich, als hätte ich 200 KM in den Beinen. Umso erleichterter bin ich, als ich nachdem die Busunternehmen alle nur den Kopf geschüttelt haben, einen Minibusfahrer finde, der sofort alles stehen und liegen lässt, um mich in einen Mininbus nach Mugla zu bekommen. Zwei Stunden später schleppe ich mich mit letzter Kraft zu meinen AirBnB Hosts Zahdine und Ümit, die mich mit offenen Armen empfangen. Nachts wache ich mit Halsschmerzen auf und weiß direkt, wieso ich so schwach war. Die Hoffnung, dass die Erkältung nach einem Tag magisch verschwindet löst sich am nächsten Morgen in Luft auf. Ich schreibe Zahdine, dass ich noch eine Nacht länger bleiben muss, da ich krank bin. Wenige Minuten später klopft es an der Tür. Zahdine reicht mir eine Suppe und sagt, dass ich so lange blieben kann, bis ich wieder fit bin, kostenfrei. Leider ist das in Anbetracht der begrenzten Zeit, die ich habe, keine Option. Also schmiede ich den Plan am nächsten Tag einen Ruhetag im Bus nach Konya einzulegen.


Leider habe ich Pech mit dem Wetter und weiterhin durch niemals endenden Regen. Meine Motivation schwindet und ich ändere meine Route so, dass ich auf direktem Wege nach Kappadokien komme, da in zwei Tagen die Sonne scheinen soll. Für einen Tag... Mein Körper ist noch nicht bei 100%, aber ich muss 140KM und 1.600 Höhenmter schaffen, um abends in der einzigartigen Natur Kappadokiens zu zelten und am nächsten Morgen die Heíßluftballons zu sehen. Dafür ist Kappadokien berühmt. Zu Sonnenaufgang und Sonnenuntergang fliegen sie zu Scharen über die Felsformationen... Es sei denn Lisa ist da. Ich stelle mit den Wecker auf fünf Uhr und checke alle 15 Minuten, ob sich irgendwas getan hat. Ich warte mehrere Stunden, aber nichts passiert. Also drehe ich eine Tagestour durch die wunderschöne Natur, in der Hoffnung zum Sonnenuntergang oder am nächsten Morgen die Ballons zu sehen. Abends schlafe ich auf einem Zeltplatz in Göreme. Doch abends fängt es so stark an zu regnen, dass klar ist - auch heute wird das nichts mit den Ballons. Am nächsten Morgen bleibt der Himmel auch leer. Schlecht gelaunt fahre ich im Nieselregen los. Was mache ich hier eigentlich? Doch plötzlich reißt der Himmel auf und die Sonne kommt raus. Vor mir sehe ich den Vulkan Hasandagi und mein Herz explodiert vor Freude. Ich steuere einen See an, an dem ich wildcampen will. Ein Schäfer namens Yasni gibt mir die Erlaubnis auf der Wiese zu zelten und zur Abwechslung regnet es diesmal nachts nur eine Stunde.


Auf dem Weg zurück Richtung Konya erfahre ich, wieso alle Radreisenden die türkischen Hunde so sehr hassen. Ständig rennen aufgeregt bellende und knurrende Hunde auf mich zu. Meist sind es riesige Kangals, die riesige Stachelhalsbänder tragen, damit sie nachts nicht von Wölfen nagegriffen werden, wenn sie ihre Schafherde behüten. Ich steige jedes Mal direkt vom Fahrrad ab, versuche ruhig zu bleiben und schiebe, bis die Hunde endlich Ruhe geben. Kurz vor Konya bin ich plötzlich umgeben von locker 50 Hunden, die links und rechts auf der Wiese neben der Straße verteilt sind. Glücklicherweise erkennt ein vorbeifahrender Autofahrer meine Not und fährt so lange in Schrittgeschwindigkeit nebebn mir her, bis ich in Sicherheit bin.


Wenige Tage später leitet mich meine Navigationsapp auf eine Abkürzung, die auf einem Erdweg an Feldern vorbei führt. Ein älterer Mann hält mich an und warnt mich vor den agressiven Hunden, die in den nächsten 8 KM darauf warten, mich zum Frühstück zu essen. Er bietet mir an, mich mitzunehmen. Ich zeige auf die matschigen Reifen meines Fahrrads, aber er macht mir klar, dass es kein Problem ist. An der Tankstelle, an der er mich raus lässt, lädt er mich noch auf einen Tee ein, dann fährt er los und biegt zu meiner Überraschung wieder auf den Weg ab. Er ist also extra nur um mir zu helfen diesen Weg gefahren.


Nach einer wunderbaren Kamp Alani Nacht in mitten verrückter Steinformationen fahre ich weiter Richtung Istanbul. Schon jetzt habe ich Bauchschmerzen, beim Gedanken mich durch die 16 Millionen Einwohner Stadt zu meinem Warmshowers Host zu manövrieren. Doch mein Host Kathy gibt mir hilfreiche Tipps und so nehme ich eine Fähre über das Marmarismeer, fahre in Istanbul entspannte 28 KM auf einem Radweg entlang der Küste, steige auf eine weitere Fähre, um den Bospurus zu überqueren und fahre dann 15 KM auf einer Bus-Taxi-Fahrrad-Spur zum Campus der Technik Uni Istanbuls, auf dem Kathy wohnt. Da heute Zuckerfest ist, gibt es so gut wie keinen Verkehr und ich komme super entspannt bei Kathy an, die jedoch erst in drei Tagen nach Hause kommen wird. Ich folge ihren Anweisungen um die Schlüssel zu ihrer Wohnung zu finden und kann nicht glauben, dass das Kapitel Türkei nun zu Ende ist. Usbekistan kann kommen.


Hier nochmal der kleine Reminder, dass ich Spenden für die NGO "Samos Volunteers" sammle, bei denen ich Anfang des Jahres volunteer habe. Das Geld kommt zu 100% dem Support von Menschen auf der Flucht zu Gute. Hier spenden







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