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AutorenbildLisa

Von Brasilien, via Slowenien, Deutschland und Spanien nach Marokko

Was bisher geschah:

Im letzten Blogpost hatte ich Corona, das ist nun schon ein Weilchen her (i survived!) In der Zwischenzeit ist einiges passiert. Anfang August bin ich heimlich von Brasilien nach Barcelona geflogen, bunkerte mein Fahrrad bei meiner Freundin Jasmin und zog weiter nach Slowenien. Dort überraschte ich meinen Bruder, meine Schwägerin und einige Freunde auf einem Festival. Dann ging die Überraschungsrunde weiter nach Deutschland. Nach kurzer Familytime ging es auf eine spontane Radtour nach Dessau, wo ich eine Woche auf der Baustelle meiner Lieblingslisa half. Und dann ging es auch wieder nach Barcelona, zurück in den Sattel.


Was jetzt geschieht:

Nach einem Monat Spanien, stehe ich am Fährhafen in Algeciras und warte auf das Schiff nach Marokko. Hinter mir liegen tolle Momente mit zwei meiner Lieblingsmenschen, die ich auf anderen Reisen kennengelernt habe, wunderschöne Wildcampspots, tolle Begegnungen und Eindrücke. Doch irgendwie hat sich das Radfahren in Spanien mehr nach Urlaub, als nach Abenteuer angefühlt. Doch das soll sich in wenigen Stunden ändern. Nämlich in dem Moment, als der nette Mann auf der Fähre sagt, dass die Fähre gar nicht da anlegt, wo ich dachte. "Tanger ist so 40-50 KM entfernt, du kannst an der Küste entlang fahren, aber da brauchst du starke Beine!" Ich hatte mich darauf eingestellt, einen KM von der Fähre zum Hostel zu rollen, um - wie meine Eltern im Urlaub immer zu sagen pflegten - erstmal anzukommen. Ich rollte also etwas verwirrt von der Fähre, vor mir die Autobahn, auf der ich wohl oder übel ein paar Kilometer fahren muss, um auf die Küstenstraße zu kommen, die genau Kilometerzahl, geschweige denn die Höhenmter kenne ich nicht, da ich keine SIM Karte habe. Doch was in Deutschland oft kompliziert ist, ist in anderen Ländern überraschend einfach. Kurz vorm Ausgang des Fährhafens entdecke ich eine Wechselstube. Nachdem ich 100 Euro in 1.000 Dirnham gewechselt habe, fragt der Mann mich, ob ich auch eine SIM Karte brauche. Drei Minuten später habe ich eine marokkanische SIM mit 5GB Datvenolumen. Kostenpunkt: 5 €.


42 KM und 550 Höhenmeter (über die ich nur schmunzeln kann) später bin ich in Tanger und da ist es wieder - das Gefühl von Abenteuer. Ich spreche kein arabisch, kenne die Kultur nicht und freue mich drauf, sie kennenzulernen. Doch erstmal kommt ein Minikulturschock. Bereits in Spanien habe ich mir extra neue Klamotten zugelegt, eine lange, luftige Hose und ein ausschnittloses Shirt, ich könnte zwar - anders als im Iran - rumlaufen, wie ich will, möchte aber niemanden verärgern und keine unnötigen Blicke ernten. Doch den Männern in Tanger scheint das egal zu sein. Und so wandle ich durch die Medina, werde gecatcalled, angequatscht, angegafft und sogar fast am Bauch angefasst. Mein Maß ist schnell voll. Wenige Tage später, am ersten Radtag, wird jedoch alles getoppt, als ich in der Stadt Tetouan von einem Mann im Auto verfolgt werde. Er fährt in Schrittgeschwindigkeit neben dem Radweg her, ruft mir zu, gibt Catcalls von sich und bleibt jedes Mal stehen, wenn ich stehen bleibe. In mir breitet sich Panik aus, eine Panik, die Flashbacks triggert und mich in zurück in die Situation des sexuellen Übergriffs katapultiert. Ich schiebe mein Fahrrad zu einer Bank und kämpfe mit den Tränen. Der Autofahrer biegt in eine Taxibucht und bleibt dort stehen. Also kreuze ich die riesige Straße und suche mir eine Nebenstraße, die zu einem Hotel führt. Ich fühle mich so unwohl und klein, dass ich nur kurz rausgehe, um Proviant zu besorgen.


Doch der nächste Tag legt ein warmes Pflaster auf die Wunden. Meine Route führt entlang der Küste und durchs Rifgebirge nach Chefchaouen. Beim Anblick der Berge ist jeglicher Kummer vergessen. Chefchaouen ist bekannt für die vielen blauen Häuser. Wunderschön, aber auch ein Touristenmagnet und wiedermal merke ich, dass solche Orte einfach nicht meins sind. Alles wird für die Touristen angepasst, überall wird man in Geschäfte gelockt oder bekommt Speisekarten unter die Nase gehalten. Also geht es für mich nach einem Ruhetag weiter Richtung Atlasgebirge, denn ich spüre eine riefe Sehnsucht nach richtigen Bergen. Berge, die einem das Gefühl geben, winzigklein auf einem wunderschönen Planten zu sein.


Wenige Tage später breitet sich genau dieses Gefühl in mir aus und neben einigen Schweißperlen kullern auch Freudentränen meine Wangen herunter. Ich spüre eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass ich das alles erleben darf. Kann mein Glück kaum fassen.

Und plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Wenige Meter vor mir sehe ich ein kleines Fellknäul, das laut maunzt. Es ist eine Babykatze, ich schätze sie auf fünf bis sieben Wochen. Sie ist dünn, ihr Fell ist blutverschmiert, doch ihre Stimme ist laut. Sie kommt auf mich zu, reibt sich an meinen Füßen und maunzt laut weiter. "Was soll ich denn jetzt machen?" - eins ist klar: Ich werde sie auf keinen Fall hier zurück lassen. Weit und breit ist kein Mensch und kein Dorf, geschweige denn eine Stadt mit einer Tierarztpraxis. Einzig und allein liegt dort ein totes, riesiges Wildschwein, mit den Vorderläufen auf einem kleinen Mäuerchen, als hätte es sich dort nur hingelgt, um sich auszuruhen. Der Versuch die kleine Maus in meinen Brustbeutel zu setzen misslingt. Also schiebe ich mit einer Hand mein Rad einen Kilometer bergauf, in der anderen Hand halte ich die kleine Katze, die nun ganz ruhig ist und schnurrt. Plötzlich sehe ich einen Mann auf einem Moped am Straßenrand. Er schaut die Katze an und schüttelt nur den Kopf "Die ist sehr krank!". Ich fange an zu heulen und versuche ihn mit dem Französisch, das in meinem Kopf seit Tagen aus einem Jahrhundertschlaf geweckt wird, zu bitten, die Katze mitzunehmen. Ich biete ihm Geld für Tierarzt und Futter an. Doch er sagt, er habe Zuhause schon so viele Tiere, ich solle es ein paar Meter weiter bei den Leuten versuchen, die aus ihren Autos heraus Kaffe und Snacks verkaufen. Als ich die junge Frau frage, schneidet sie sofort einen Becher zurecht und gibt der Katze etwas Milch. Sie verspricht mir, sich gut um sie zu kümmern. Schweren Herzens und dennoch erleichtert, fahre ich weiter.


Abends frage ich im Café einer Tankstelle, ob ich mein Zelt irgendwo aufstellen kann. Der junge Marokkaner Zauhir schüttelt den Kopf und bietet mir stattdessen ein kleines Zimmerchen mit Matratze an. Natürlich umsonst. Er lädt mich ausserdem auf einen Tee ein, bevor ich total erledigt um 20:30 schlafen gehe.


Und dann geht es immer weiter hinauf, in den hohen Atlas und mit jedem Höhenmeter wird die Landschaft atemberaubender. Ich fahre durch knallgrüne Oasen, umgeben von staubtrockenen Bergen. In den Dörfern freuen sich die Einheimischen, mich zu sehen. Vorallem die Kinder, die kreischen, winken, auf mich zu rennen, um ein High 5 zu geben oder mit ihren Fahrrädern neben mir her fahren und einfach nur lachen. Bei all den grauenvollen Dingen, die auf diesem Planeten grade passieren, die mir Sorge und Schmerz bereiten, wärmen diese Momente mein Herz so sehr, dass es fast platzt.






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