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AutorenbildLisa

Herzensmenschen

Von San Gabriel aus fahre ich durch atemberaubende Landschaften nach Ibarra, wo ich eine Nacht bei Hamilton, einem Couchsurfing Host bleiben werde. Ich werde herzlichst von seinem Mitbewohner Mauricio empfangen und fühle mich sofort Zuhause.


Hamilton und Mauricio leben den wahren Gedanken hinter Couchsurfing. Es geht nicht darum, irgendwo eine Nacht für Lau zu verbringen, sondern um den kulturellen Austausch, darum, Freundschaften zu knüpfen, Neues kennen zu lernen und irgendwann selbst Gastgeber zu sein und sich zu revanchieren, sei es bei genau der Person oder einem anderen Surfer.


Hamilton fragt mich direkt, ob ich nicht zwei Nächte bleiben möchte. Er und Mauricio sind Englischlehrer an der Yachay Tech Universität und in seinem Unterricht geht es gerade um das Thema "Reisen". Ich bin sofort Feuer und Flamme und am nächsten Tag sitze ich vor 10 Studenten und erzähle über alternative Formen des Reisens.

Beschwingt fahre ich eine kurze Etappe nach Otavalo und dann weiter nach Quito, wo ich Mauricio wieder sehe. Denn er hat mich zu seiner Familie eingeladen. Nach einer anstrengenden Etappe werde ich mit offenen Armen und offenen Herzen von der gesamten Familie begrüßt.


In Ecuador ist es üblich, dass Familien sehr nah beieinander leben. Oft wird auf das Elternhaus einfach eine neue Etage gebaut, in der dann die nächste Generation samt Kinder lebt. In Mauricios Elternhaus herrscht also ein reges Kommen und Gehen. So lerne ich schnell alle Geschwister, die Schwägerin, Neffen und Nichten kennen, die mich direkt mit Umarmung begrüßen.


Am nächsten Tag bringen Mauricios Papa und ich mein Fahrrad/Little Black Panther zur Inspektion. Einer richtigen Inspektion, nachdem die letzten zwei immer nur aus einer Überprüfung der Gangschaltung bestanden. Danach zeigt er mir einige Ecken Quitos.

Abends fahren wir zu einer Babyshower. Als ich den kleinen Raum betrete, fällt mir regelrecht die Kinnlade runter. Der Raum ist voll gepackt mit locker 50 Erwachsenen und Kindern. "Das ist nur ein Teil meiner Familie!", sagt Mauricio. Wieder werde ich herzlich willkommen geheißen, alle freuen sich und bedanken sich, dass ich da bin. Dabei bin ich die, die danken müsste, denn was ich erlebe kann mir kein Tourguide, kein Hostel und kein Rundum-Sorglos-Paket bieten.


Und dann geht es los. Im ersten Spiel müssen vier Frauen gegeneinander antreten und Bier aus einer Babyflasche exen. Für Entertainment ist also auf jeden Fall gesorgt. Irgendwann sollen wir unter unsere Stühle schauen. Ich greife unter meinen Stuhl und entdecke einen Zettel auf dem "dramatizar" steht. Ein paar Minuten später steckt eine Babypuppe unter meinem Pulli und ich lege eine Geburts-Performance auf die Bühne.



Nach den Spielen gibt es Essen, für mich wird extra etwas Veganes organisiert. Ich bin überwältigt von der Liebe, die in dieser Familie steckt, füreinander und für andere. Und dann fangen alle an zu tanzen, klein und groß, jung und alt. Selbst mit Krückstock wird das Tanzbein geschwungen. Immer wieder wird einem ein Becher mit einem kleinen bisschen Schnaps gereicht und die Kousins heizen die Stimmung mit lustigen Sprüchen noch weiter ein.


Am nächsten Tag fahren wir nach "Mitad del Mundo", der Mitte der Welt, wo man quasi auf dem Äquator stehen kann. Ich bin immer noch total geflashed von dieser Warmherzigkeit. "Du hast jetzt eine Familie in Ecuador!". Ich könnte heulen bei so viel Gastfreundschaft und Liebe.



Und dann kommt der unangenehme Part des Reisens - die Verabschiedung. Es fließen Tränen und ich versuche Worte zu finden, um mich zu bedanken, aber selbst wenn ich "Danke" in allen Sprachen der Welt sagen würde, wäre es nicht genug. Mauricio und seine komplette Familie sind das, was wir als herzensgute Menschen bezeichnen und das Wochenende in Quito wird für immer einer meiner Lieblingsmomente sein.

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