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AutorenbildLisa

Pamir Highway - Durstig nach Murghab City

Es ist fünf Uhr morgens, ich liege irgendwo im Pamir Gebirge in meinem Zelt und es fällt mir schwer, meinen warmen Schlafsack zu verlassen. Draussen geht grade die Sonne auf und bahnt sich langsam ihren Weg in meine Kuhle. Die gefrorenen Wasserreste in meinen Flaschen erinnern mich daran, dass ich unbedingt im sechs Kilometer entfernten Alichur meine Vorräte auffüllen muss. Die heutige Etappe ist nur 110 KM lang und ist mit 600 Höhenmetern ein Zuckerschlecken im Gegensatz zu den Etappen der letzten Tage. In Windeseile packe ich alles zusammen und fahre weiter Richtung Sackgasse kirgisischer Grenze. Seit über einem Jahr ist die Grenze wegen bewaffneter Auseinandersetzungen aufgrund unklare Grenzziehung geschlossen. Vor wenigen Wochen hatte ich noch die Hoffnung, dass die Gerüchte wahr werden, dass die Grenze genau zu meinem Eintreffen geöffnet wird. Nach zahlreichen Unterhaltungen mit Militär, Polizei und Locals, weiß ich, dass die Grenze auf keinen Fall öffnen wird. Alles, weil irgendwelche Machthaber über Landbesitz streiten… Was auch bedeutet, dass es seit Jahren nicht mehr möglich ist den Pamir Highway von Dushanbe, Tadschikistan bis nach Osh, Kirgistan (oder andersrum) zu fahren. 


Schon von weitem sehe ich das Dorf Alichur. Inmitten blanker Natur stehen circa 50 Häuser und ein paar Container. Ich frage einen Einheimischen nach Wasser, er zeigt auf einen Brunnen und besteht darauf, das Pumpen zu übernehmen. Nachdem ich mich bedankt habe, hole ich meine Steripen UV-Wasserfilter raus und tunke ihn in das Wasser. Doch nach kurzer Zeit blinkt er nicht grün, sondern rot und der Filterungsprozess wird abgebrochen. Mehrere Male versuche ich es erneut und jedes Mal das rote Blinken, das in diesem Moment über meine weitere Route entscheidet. Statt 1,5 Tagesetappen weiter nach Karakul zu fahren, werde ich heute in Murghab die tadschikische Pamir-Reise beenden. Anderthalb Tage auf über 4.500 Metern Höhe, ohne Wasserfilter oder Möglichkeiten Wasser zu kaufen - das ist mir zu heikel. Mit dem halben Liter, den mein Steripen noch gefiltert hat, werde ich es nach Murghab schaffen, wenn auch durstig. Dank des starken Rückenwinsd fliege ich nur so Richtung Etappenziel. Leider hat der Wind aber den Nachteil, dass ich keinen Ort finde, an dem ich eine Snackpause einlegen kann, ohne dass mir die Nüsse direkt aus der Hand geblasen werden. Also ziehe ich ohen Pause durch und bestaune die Marslandschaft um mich herum, während ich im Zick-Zack riesige Schlaglöcher umfahre. Es herrscht kaum Verkehr, die Straße gehört mir.


Mittags komme ich in Murghab an. In verschiedenen Blogs hab ich bereits gelesen, dass die Stadt mit circa 8.000 Einwohner*innen, einen recht tristen vibe hat. Tatsächlich fühle ich mich, als sei ich auf einem anderen Stern und genau so schauen mich die Einheimischen auch an. Auch wenn alle nett sind, teilweise grüßen und winken, komme ich mir konstant angestarrt vor. In einem Guesthouse, das ich dank der Hilfe eines kleinen Jungens finde, werde ich direkt mit offenen Armen empfangen und zu meiner Freude bekomme ich erstmal Tee und Brot aufgetischt. Meine Lippen sind so trocken, dass ich versuche nicht zu doll zu grinsen, die Freude über so etwas Einfaches wie Tee und Brot ist jedoch zu groß. Mein Gastgeber, ein alter, niedlicher Herr, den ich tatsächlich vor wenigen Tagen im Hostel in Chorough schon gesehen habe, entschuldigt sich, dass die Solar-Dusche nicht funktioniert, versichert mir aber, dass das Wasser warm sein wird. „Ach ich habe seit Tagen nicht geduscht, es wird ein Fest, egal wie warm oder kalt das Wasser ist!“ Er lacht und zeigt mir das Bad, das außerhalb des Hauses liegt. An einem Ofen, der den Raum gemütlich warm hält, ist ein kleiner Hahn, an dem ich heißes Wasser in einen Eimer mit kaltem Wasser fülle. Mit einer Kelle kippe ich Wasser über meinen Körper und freue mich darüber, endlich den Schweiß der letzten Tage von mir waschen zu können.


Frisch geduscht gehe ich zum Markt, der aus alten Frachtcontainern besteht. Die Auswahl ist sehr begrenzt und mir wird wieder einmal bewusst, in was für einem Überfluss an Supermärkten, Angebot und Produkten ich aufgewachsen bin. In Deutschland gibt es an jeder Ecke einen Supermarkt und man findet so gut wie alles. Hier in Murghab, auf fast 4.000 Metern Höhe, umgeben von Bergen, sieht das anders aus. Mich fasziniert es, dass hier Menschen leben und wie sie leben. 


Abends kocht die Gastgeberin extra vegan für mich. Es gibt Brot, Pommes, Reis, Tomaten und Gurke. Sehr kohlenhydratlastig, aber lecker. Am nächsten Morgen gibt es nochmal ausreichend Brot, Tee und Kekse, dann fahre ich zum Taxi-Sammelpunkt, wo bereits fünf Allradwagen geparkt sind. Um nach Dushanbe zurück zu kommen, muss ich erst 310 KM nach Chorough fahren und dann weitere 600 KM zurück in die Hauptstadt. Zwei lange Tage stehen bevor. Im vollbesetzten Jeep geht es nach zwei Stunden Wartezeit endlich Richtung Chorough, wo wir ganze sieben Stunden später ankommen. Nach einer entspannten Nacht fahre ich am nächsten Morgen zur Taxistelle in Chorough. Mir graut es bereits vor der Fahrt, da ich den Teil zwischen Chorough und Kalaikhum ja bereits mit dem Taxi gefahren bin. Ungern denke ich an die holprige Fahrt und mein zugestaubtes Fahrrad zurück. Aber leider führt kein Weg dran vorbei. Für die 600KM brauchen wir über 17 Stunden, von denen wir allein vier Stunden irgendwo im Nirgendwo an einer Baustelle darauf warten, dass die Vollsperrung (ein zwischen zwei Steinen befestigtes Flatterband) aufgehoben wird. Während der Fahrt fühle ich mich wie in einer Achterbahn. Nur ohne Überrollbügel. Stattdessen klammere ich mich an den Griff an der Decke und versuche nicht zu lange aus dem Fenster zu schauen, wo der steile Abgrund zum Panj Fluss nur eine halbe Reifenbreite entfernt ist. Um zwei Uhr nachts steige ich aus dem Auto und freue mich wieder in der Zivilisation zu sein und dass ich morgen mein komplett eingestaubtes Fahrrad waschen kann.



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